Das Bienenlob gehört zum Exsultet, lat. „es jauchze“. Der österliche Lobpreis erklingt, nachdem alle ihre Kerzen am Osterlicht entzündet haben:
„In dieser gesegneten Nacht, heiliger Vater,
nimm an das Abendopfer unseres Lobes,
nimm diese Kerze entgegen als unsere festliche Gabe!
Aus dem köstlichen Wachs der Bienen bereitet,
wird sie dir dargebracht von deiner heiligen Kirche
durch die Hand ihrer Diener.
So ist nun das Lob dieser kostbaren Kerze erklungen,
die entzündet wurde am lodernden Feuer zum Ruhme des Höchsten.
Wenn auch ihr Licht sich in die Runde verteilt hat,
so verlor es doch nichts von der Kraft seines Glanzes.
Denn die Flamme wird genährt vom schmelzenden Wachs,
das der Fleiß der Bienen für diese Kerze bereitet hat.“
Ohne Wachs hatte die Kirche kein Licht, das Christus, das Licht der Welt, symbolisiert.
Im Mittelalter waren Klöster auch Orte der Bienenzucht. Eine ausgeschwärmtes Bienenvolk war für imkernde Mönche ein zu beklagender wirtschaftlicher Verlust. Diesem Schmerz verdanken wir eine der ältesten gereimten Dichtungen deutscher Sprache aus dem 10. Jh.:
„Christus, der Bienenschwarm ist ausgeflogen!
Nun fliege du, mein Tierchen, wieder her,
um in göttlichem Frieden, im Schutz Gottes
gesund heimzukommen.
Sitze, sitze Biene!
Das hat dir die heilige Maria geboten:
Abschied sollst du nicht nehmen,
zum Wald sollst du nicht fliegen,
weder sollst du mir entwischen,
noch sollst du mir entweichen!
Sitze, ganz stille;
so wirke Gottes Wille.“
Den alten Bannspruch, jetzt Lorscher Bienensegen genannt, schrieb ein Benediktiner-Mönch in feinen Minuskel auf Pergament. War der Autor ein Imker, dem gerade ein Volk geschwämt war? War’s ein Schüler, der mit dem kleinen Spruch das Schreiben übte?
Die Reformation soll einen Rückgang der Imkerei bewirkt haben. Für die gottesdienstliche Liturgie waren nicht mehr so viele Kerzen nötig und Klöster wurden aufgelöst.
Als Frauenname Deborah ist die hebräische Biene auch in die deutsche Sprache gelangt. Die Bibel ihrerseits schwärmt aber eher vom Honig als von der Biene oder ihrem Wachs. Im verheißenen Land sollen Milch und Honig fließen. Im Hier und Jetzt wussten die Israeliten aber auch selbst Hand anzulegen, dass die Verheißung wahr werde, wie Ausgrabungen belegen. Nahe Bet Schean fand man 30 Bienenstöcke aus dem 10. Jahrhundert v. Chr.
Paradiesisch ist der Honig auch im Koran. Ströme geläuterten Honigs fließen (Sure 47:16), neben Strömen von Wasser, Milch und Wein. Im Hier und Jetzt schätze der Koran die heilende Wirkung des Honigs. In der Sure namens „Die Bienen“, Sure 16, heißt es von den Bienen: „Aus ihren Leibern kommt ein Trank, mannigfach an Farbe. Darin ist Heilung für die Menschen.“ (Sure 16:70)
Das kleine, produktive Tier war von altersher eine beliebte Metapher. „Gar winzig unter den fliegenden Wesen ist die Biene, und doch bringt sie das beste Gut hervor“, so der Weisheitslehrer Jesus Sirach (Sir 11,3).
Der Fleiß der Bienen wird auch heute noch gepriesen, obwohl die moderne Bienenforschung diesen Mythos relativiert. Wie an anderen Orten auch gibt es im Bienenvolk fleißige und faule Wesen.
Bienenschwärme vergleicht das Alte Testament mit angreifenden Völkerscharen, sprich mit den Feinden Israels, mit den Amoritern (Dtn 1,44), mit Assur (Jes 7,18) oder auch mit Feinden des Beters (Ps 118,12).
Eine weitere Variante der Bienenmetapher bieten die jüdische Schriftauslegung. Midrasch Dewarim Rabba 1,1 (Auslegung zum Deuteronomium) sagt:
Sowie von der Biene der Honig süß, der Stachel aber bitter ist, so sind auch die Worte des Gesetzes, wer ihnen zuwiderhandelt, zieht sich das Todesurteil zu, wie es heißt Lev. 20, 10: »Der Ehebrecher und die Ehebrecherin sollen getötet werden,« und das. 31, 14: »Wer ihn (den Sabbat) entheiligt, soll getötet werden,« wer sie aber hält (beobachtet), erlangt Leben, wie es heißt Ex. 20, 12: »Damit du lange lebest.«
Das im weltweiten Netz kursierende „Talmud-Zitat“ ist vermutlich als Kurzform dieser Erklärung entstanden:
Das Wort gleicht der Biene:
Es hat Honig und Stachel.
bs, Juli 2016