Tagesgebet
SUCHE NACH EINER PREDIGT
from... - die reformierte App
Newsletter
Vor dem Zelt
Predigt zu Hebräer 11,8-12
Hebräer 11,8-12
8 Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme.
9 Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung.
10 Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.
11 Durch den Glauben empfing auch Sara, die unfruchtbar war, Kraft, Nachkommen hervorzubringen trotz ihres Alters; denn sie hielt den für treu, der es verheißen hatte.
12 Darum sind auch von dem einen, dessen Kraft schon erstorben war, so viele gezeugt worden wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres, der unzählbar ist.
I.
Er stand vor dem Zelt. Denn er brauchte jetzt frische Luft. Die ganze Nacht hatte er an ihrem Lager gesessen, ihre Hand gehalten und war bei ihr. Und in den frühen Morgenstunden war er dann ganz allein. Der Weg war zu Ende, den sie beide miteinander gegangen waren. Noch einmal sah er auf ihr stilles Gesicht, wie sie da lag im Dämmer des Zeltes. So klar und ruhig.
Ihr Gesicht. Es war, als liefe ihr ganzes Leben noch einmal an ihm vorbei. Sara, seine Frau. Sie hatte sich mit ihm auf den Weg gemacht, damals. Sie war mit ihm zusammen aufgebrochen und ausgewandert, genauso mutig, genauso voller Vertrauen. Sie beide hatten das große Versprechen gehört: Land und Kinder. Das hatte sie da berührt, wo ihre Wünsche saßen. Denn sie lebten ja in Zelten, immer schon, immer unterwegs. Und sie waren, anders als all die anderen, immer nur zu zweit. Land und Kinder für sie beide. Was für ein Versprechen. Wie ein Glanz legte es sich auf Saras Gesicht und die Jahre ohne Hoffnung waren nicht mehr zu sehen darin.
Aber er erinnerte sich auch noch an ihr Gesicht, damals, als ihm die Zeit zu lang wurde und er nicht mehr warten mochte, bis sich einstellte, was ihnen versprochen war. Als er die jüngere Frau nahm und mit ihr ein Kind zeugte. Sara hatte ihm ja dazu geraten. Aber dann hatte sie doch das Gesicht abgewandt, als er ihr von der Schwangerschaft berichtete. Ihr Gesicht, voller Schmerz und Scham über ihr Lebensschicksal.
Aber das Versprechen war größer als alles, was sie beide sich vorstellen konnten. Wieder sah er Saras Gesicht vor sich, so alt und müde von all den Jahren des Wartens und nun auch erschöpft von der Geburt. Er sah ihre Falten und daran geschmiegt die zarte Wange ihres neugeborenen Sohnes. Hier in diesem Zelt war das gewesen, dort, wo sie jetzt lag. Ist denn irgend etwas unmöglich für den Herrn? Nein, mussten sie beide zugeben. Nein, ist es nicht.
Saras Gesicht. Über die Jahre und Jahrzehnte war es ein Spiegel dessen, was ihm und was ihr widerfahren war. Auch die Angst in ihren Augen hatte er nie vergessen, als er damals aufbrechen musste mit dem Holz für das Brandopfer und dem Messer in der Hand, ganz allein mit seinem einzigen Kind, bereit, es zu opfern.
Geh nicht, hatten ihre Augen gefleht, das kann nicht gemeint sein. Wir haben doch Kinder versprochen bekommen. Wer nimmt so seine Versprechen zurück? Ihren Blick spürte er im Rücken, bis sie ihn aus den Augen verloren hatte. Und sie kam ihm entgegengelaufen, als er dann mit ihrem Sohn an der Hand zurückkehrte, ihrem Kind, heil und unversehrt, voller Leben und Zukunft. Und Saras Gesicht ein einziges Lachen.
Nun war sie gestorben. Das stille Gesicht kein Spiegel mehr und keine Antwort darin. Ein gemeinsamer Weg und ein Ende. Als er aus dem Zelt getreten war, hatte er nach oben gesehen, so wie immer, wenn er aus dem Dämmer und der Enge nach draußen kam. Früh am Morgen, noch kühl und schon der Anflug des neuen Tages. Die Sterne verblassten gerade am Himmel. „Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? So zahlreich sollen deine Nachkommen sein.“ Das war das Versprechen. Und davon war noch nicht viel zu sehen.
II.
Die Geschichte Saras und Abrahams. Mit schnellen Strichen ist sie gezeichnet, nur kurz werden die Namen genannt. Wir müssen uns hineindenken in ihre Geschichte, uns erinnern, die schnellen Striche ausmalen zu einem Bild mit mehr Details. Die Höhen und die Tiefen dieses Lebens sind in dieser Lebensskizze nicht genau zu sehen.
Ob es überhaupt gelingen kann, so von einem Leben zu erzählen, dass man sehen kann, was Menschen bewegt hat, was ihnen Hoffnung gab, was sie verzweifeln ließ, was sie sich gewünscht haben und woran sie gescheitert sind? Immer nur eine Skizze ist der Blick auf ein Menschenleben. Auch der Blick auf das Leben Abrahams und Saras.
Aber alle diese Menschengeschichten sind miteinander verbunden: Durch den Glauben. Und wenn ich sie erzähle, wird mir klar, was glauben bedeutet. Das Große Wort Glauben bleibt kein Begriff. Es wird zu einem Verb. Gut für mich, weil ich ohne große Worte predigen will.
Gut, weil ich sehen kann, was es heißt, zu glauben:
Weil Sara und Abraham glauben, verlassen sie ihre Heimat
und machen sich auf den Weg in das verheißene Land.
Weil Sara und Abraham glauben, müssen sie viel Geduld haben.
Weil Sara und Abraham glauben, werden sie dann doch noch Eltern,
gegen alle Wahrscheinlichkeit und menschliche Möglichkeit.
Und weil sie glauben, könnten sie dieses Kind wieder hergeben,
auch wenn sie nicht verstehen, warum das von ihnen verlangt wird.
Weil Sara und Abraham glauben, wohnen sie in Zelten ihr Leben lang
und hoffen immer weiter auf eine Heimat, in der sie bleiben können.
Mit Vernunft hat das alles nicht viel zu tun.
Aber mit Vertrauen.
So ist es, wenn Menschen glauben.
Es geht nicht um Argumente. Es geht nie um Argumente.
Glauben ist vertrauen.
Wenig zuverlässige Erkenntnis, viel herzliches Vertrauen.[1]
Damit fängt ein Mensch zu glauben an.
Aber die, die glauben können, die brauchen dann noch mehr Vertrauen als alle anderen. So wie Abraham. Er steht vor dem Zelt. Über ihm öffnet sich der Himmel und er sieht die Sterne, wie jedes Mal, wenn er aus dem Dämmer und der Enge nach draußen kommt. Manchmal funkeln sie hell, so wie in der Nacht, als sein Sohn geboren wurde. Manchmal verblassen sie, so wie an diesem Morgen, als Sara gegangen ist für immer.
Und immer spürt er: Der Boden unter meinen Füßen, der gehört mir nicht. Und das Kind, das ich habe – von seiner Zukunft weiß ich nichts. Land und Kinder. Wie weit weg bin ich noch von dem großen Versprechen. Abraham und Sara. „Diese alle sind gestorben im Glauben und haben das Verheißene nicht erlangt, sondern es nur von ferne gesehen und gegrüßt und haben bekannt, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind.“ (Hebr 11.13)
Glauben heißt vertrauen.
Und mit einem Versprechen zu leben.
Näher oder weiter entfernt davon, dass es sich erfüllt.
Und weit entfernt davon, die Dinge selbst in die Hand nehmen zu können.
An Saras und Abrahams Geschichte ist auch zu sehen, was geschehen kann, wenn Menschen ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Wenn sie versuchen, zu erzwingen, was sie sich erhoffen an Lebensträumen und Lebensglück. Die Dinge geraten aus dem Lot, sie haben Folgen und schaffen Wirklichkeiten, die nicht mehr einzuholen sind. Und statt Glück ist da Schmerz und Scham und Schuld. So war es mit Abraham und Sara und der jüngeren Frau und dem Kind.
Glauben heißt, mit einem Versprechen zu leben.
Näher oder weiter entfernt davon, dass es sich erfüllt.
Und weit entfernt davon, die Dinge selbst in die Hand nehmen zu können.
Das, was wir uns so sehr wünschen, das sehen wir manchmal nur von ferne und winken ihm zu. So wie ich einem Fremden auf der Straße freundlich zunicke, den ich niemals wieder sehen werde mein Leben lang. So ist das auch in meinem Leben. Von meinen Höhen und Tiefen, davon weiß doch kein Mensch. Eine Skizze ist selbst mein eigener Blick auf mein Leben. Eine Skizze, mehr nicht. Wer weiß, was einmal davon zu erzählen sein wird.
Und so ist das auch mit meinem Glauben.
Und doch gehe ich weiter und bleibe nicht stehen.
Denn da ist das Versprechen, dass es einmal, am Ende, irgendwann,
nicht mehr nur das Zelt sein wird,
sondern das Haus und die Stadt, in der ich bleiben kann.
Abraham ist aufgestanden und aus dem Zelt gegangen, als Sara gestorben war. Vor dem Zelt hat er die Sterne gesehen, die am Himmel verblassten. Und dann hat er zwei Dinge getan. Er hat ein Grab für Sara gekauft in Machpela bei Hebron. Ein Grab im fremden Land. Und das ist das einzige Stück, das ihm von dem versprochenen Land jemals wirklich gehören wird. Danach hat er seinen Knecht losgeschickt, in die alte Heimat, um endlich eine Frau zu suchen für seinen Sohn. Eine Frau und dann vielleicht ein Kind und Leben und Zukunft.
Vor dem Zelt stehen wir. Und erinnern uns.
Über uns der Himmel und die Sterne.
In uns eine feste Zuversicht auf das, was wir hoffen.
Ein Nicht-Zweifeln an dem, was wir nicht sehen.[2]
Glauben ist ein Grab in einem fremden Land.
Glauben ist weitergehen.
Wie nach Hause.
Amen.
[1] Heidelberger Katechismus, Frage 21: Was ist wahrer Glaube?
Wahrer Glaube ist nicht allein
eine zuverlässige Erkenntnis,
durch welche ich alles für wahr halte,
was uns Gott in seinem Wort geoffenbart hat, sondern auch ein herzliches Vertrauen,
welches der Heilige Geist durchs Evangelium in mir wirkt, daß nicht allein anderen, sondern auch mir
Vergebung der Sünden,
ewige Gerechtigkeit und Seligkeit
von Gott geschenkt ist, aus lauter Gnade,
allein um des Verdienstes Christi willen.
[2] Hebr 11,1.
Pfarrerin Kathrin Oxen, März 2014