Der im Himmel thront, lacht ...

Predigt zu Psalm 2

von Kathrin Oxen, Bützow

gehalten am 3. April 2011 in Bützow und
leicht verändert gehalten am 20.03.2011 bei der Tagung der Gesellschaft für die Geschichte des reformierten Protestantismus in Emden

 

Die Bombe, die kein Leben schont,/ Maschinen nur und Stahlbeton./Hat uns zu einem Lied vereint /das weiche Wasser bricht den Stein.

Ein aufgeschlagenes Liederbuch, eine mäßig begabte Gitarristin, die fehlendes Können durch überdurchschnittliches Engagement wettzumachen versuchte und wir im Kreis um sie herum. Atombomben, Maschinen und Stahlbeton, das gab es ja eigentlich alles gar nicht bei uns auf dem Land, aber dass das Wasser den Stein brechen kann, leuchtete doch unmittelbar ein. Es geht wohl um etwas Wichtiges. Der Ernst der Sache teilte sich mir mit, obwohl ich weder alt noch informiert genug war, um wirklich zu verstehen, was Atombomben anrichten können und wieso man dagegen sein muß. Aber singen, mitsingen konnte ich.

Das weiche Wasser bricht den Stein. Ich bin gerade eben alt genug, um das noch mitgesungen zu haben. Ein Klassiker unter den Protestliedern des vergangenen Jahrhunderts. Innerhalb der Kirche, im Osten wie im Westen, war das die Hochzeit der Friedensbewegung. Die Gefahr eines Atomkriegs wurde für realistisch gehalten, die lila Tücher in Hannover und der Aufnäher Schwerter zu Pflugscharen in Leipzig waren die äußeren Zeichen der Protestbewegung. Das gemeinsame Singen und Lieder wie dieser Klassiker gehörten unbedingt dazu.

Dieser hohe Ton des Engagements und des Gefühls  ist für uns heute eher befremdlich. Die wieder auferstandene Protestkultur unserer Zeit scheint das Singen verlernt zu haben. Politik und Poesie, sind heute entfernt und entfremdet voneinander wie ein Paar, das nach den heftigeren Emotionen des Anfangs nun die Mühen der Ebene zu meistern hat. Das Ende mancher Utopie im Hinterkopf und die schwierigen Probleme der Gegenwart vor Augen – da greift man einfach nicht mehr so beherzt zum Saiteninstrument.

Warum sind die Nationen in Aufruhr

    und sinnen die Völker Nichtiges?

Die Könige der Erde erheben sich,

    und es verschwören sich die Fürsten

    gegen den HERRN und seinen Gesalbten.

Der im Himmel thront, lacht,

    der Herr spottet ihrer.

Da fährt er sie an in seinem Zorn,

    und in seinem Grimm erschreckt er sie.

Darum, ihr Könige, kommt zur Einsicht,

    lasst euch warnen, ihr Herrscher der Erde!

Dient dem HERRN mit Furcht,

    und mit Zittern küsst seine Füsse,

damit er nicht zürnt und ihr nicht umkommt auf eurem Weg,

    denn leicht entbrennt sein Zorn.

Wohl allen, die Zuflucht suchen bei ihm.

Ein Lied zum Saiteninstrument. Ein Psalm, der gleich zum Anfang des Psalters einen Ton anschlägt, der in den Psalmen immer wieder durchklingt. Ein politisches Lied von Macht und Herrschaft, von Feindschaft und Krieg. Ein Ton in den Psalmen, der von uns gerne entschärft wird, indem die Rede von den Feinden, die Rachegelüste und Vernichtungsphantasien mittels Auslassungen domestiziert werden.

Und doch ist dieser Psalm der Auftakt des Psalters. Wohl dem, der nicht dem Rat der Frevler folgt, so singt der erste Psalm, wohl allen, die Zuflucht suchen bei ihm, so endet der zweite.

Um Zuflucht war es den ersten Sängerinnen und Sängern dieses Liedes wohl zu tun angesichts ihrer Situation. Auf der Flucht und fern der Heimat konnten sie ein Lied davon singen, dass Privates und Politisches nicht zu trennen sind, an den Wassern Babels saßen sie und weinten und sangen.

Das Private ist politisch – gegenüber diesen Erfahrungen der Exilierten relativiert sich das Pathos der Protestkultur unseres vergangenen Jahrhunderts. Das weiche Wasser bricht den Stein, das stimmt zweifellos und so kann man singen, aber selbst gebrochen zu werden durch politische Macht, das ist etwas anderes.

Das Private ist politisch - Menschen, die zu Opfern politischer Entwicklungen geworden sind, deren privates Glück zerstört worden ist und deren Leben auf unterschiedliche Weise nicht zur Entfaltung kommen konnte, bestätigen die bittere Wahrheit dieses Satzes. Sie tun es selten laut. Gerade in unserem Teil des Landes gehört diese Erfahrung für viele Menschen, die ich kennen gelernt habe, zu ihrer Biographie.

Und sie alle können mir lebendig erzählen von dem Tag, an dem alles anders wurde, dem Tag, an dem die Herrschenden entmachtet wurden, an dem die Unterdrückung aufhörte und auch Pfarrerskinder endlich das studieren durften, was sie wollten. Die  Ähnlichkeit dieser Herrschenden, der Führung eines atheistischen Staates, mit den Königen der Erde, die sich erheben  und den Fürsten, die sich gegen Gott verschwören, darf man feststellen.

Der im Himmel thront, lacht / der Herr spottet ihrer. Die Riege der Diktatoren aus Vergangenheit und Gegenwart haben wir vor Augen, in all ihrer Lächerlichkeit, ob sie in Phantasieuniform daherkommen oder im mausgrauen Gewand der Kleinbürgerlichkeit. Heute wären Witze über die Führungsriege der DDR erlaubt, aber heute muss man sie nicht mehr erzählen. Damals in der DDR konnte ein Witz, der in die falschen Ohren geriet, schwerwiegende Konsequenzen haben, auch davon gibt es Geschichten zu erzählen. Und doch ist der politische Witz der Anfang einer Veränderung. Die Lächerlichkeit der Herrschenden wird ihn ihm ausgesprochen, die Angst vor ihnen ein Stückchen kleiner.

Auch Gott lacht und spottet über die, die sich gegen ihn erheben wollen; Noch bevor er handelt, nimmt er sich Zeit, sie auszulachen, er begegnet ihnen mit „ruhiger Verachtung“, wie es Calvin in seinem Psalmenkommentar ausdrückt. Ein sehr gelassener, ein spöttischer Gott. Seine Zeit kommt noch. Ein lachender Gott, ein Lachen aus der Zukunft, die kommen wird. Ein Lachen, wo es gerade nichts zu lachen gibt, hinein in die bedrängende Gegenwart, gegen alle Resignation und scheinbare Alternativlosigkeit. Eine Zuflucht, wenn Menschen leiden, weil das Politische privat geworden ist.

Das Lied zum Saiteninstrument leiht uns eine Stimme. Es fordert, was wir selbst nicht laut zu fordern wagen. In die Herrschaft und die Verhältnisse hinein, in denen wir leben, singt es vom Herrschaftswechsel und von der Umkehrung der Verhältnisse. Lasst euch warnen/ihr Herrscher der Erde, vor unserem Gott.

Auch die dreifache Katastrophe in Japan, die mittlerweile schon zu einer Art Normalkatastrophe geworden ist und über deren Auswirkungen man nur noch an nachgeordneter Stelle in den Nachrichten informiert wird, gehört in diesen Zusammenhang hinein.

Ein Erdbeben, das ist unausweichliches Schicksal und höherer Gewalt, ein Riesenwelle ebenso. Aber der Bau von Atomkraftwerken auf Sand, am Strand, ist eine wirtschaftliche und politische Entscheidung gewesen, die von Menschen verantwortet ist. Die Herrschenden haben die Technik für beherrschbar gehalten und sind belehrt worden. Auf welche furchtbare Weise in Japan das Politische privat geworden ist, wie viel Menschen gestorben sind und unter den Folgen dieser politischen Entscheidungen ihr Leben und das Leben ihrer Kinder und Kindeskinder lang zu leiden haben, ist noch gar nicht abzusehen.

Bis zu uns hin reichen die Ausläufer dieser Erschütterung, dieser Welle. Das Erdbeben in Japan und der Wahlausgang in Baden-Württemberg hängen miteinander zusammen. Wo jahrelang die Beherrschbarkeit der Technik betont, Atomkraftgegner lächerlich gemacht und Laufzeitverlängerungen beschlossen wurden, haben wir staunenswerte Einsichtsfähigkeit erlebt. Einen Machtwechsel hat es trotzdem gegeben. Das weiche Wasser, bricht es am Ende doch den Stein?

Man möchte wieder so singen - und auch so, wie der Psalm es tut. Ihr Könige, kommt zur Einsicht,/Lasst euch warnen, ihr Herrscher der Erde. Kommt zur Einsicht, kehrt um, hört auf mit allem Gerede von Alternativlosigkeit angesichts der Probleme in unserer Welt, wo alles mit allem zusammenhängt.

Zuflucht bei Gott finden übrigens nicht nur die, die von Anfang an dagegen waren, sondern auch die Herrschenden, die sich des Besseren besonnen haben. Ein Lied auch für sie, für ihre Fähigkeit zur Veränderung und gegen die Angst, von der gerade die Herrschenden beherrscht werden. Ein Versprechen, das Veränderung leichter macht. Wohl allen, die Zuflucht suchen bei ihm.

Das alte, das neue, das bessere Lied.

Wohl allen, die Zuflucht suchen bei ihm.

Amen.


Pastorin Kathrin Oxen, Bützow, März/April 2011