„Vor unseren Augen ereignete sich ein Wunder“, schreibt die Uniting Reformed Church in Southern Africa (URCSA) in einem pastoralen Brief an ihre Gemeinden. Sie hatte mit einer Delegation am 13. Oktober 2011 als Gast an der Synode der Nederduitse Gereformeerde Kerk (NGK) teilgenommen. Die überwiegend weiße Schwesterkirche hatte unerwartet beschlossen, das Bekenntnis von Belhar zu übernehmen. Nach einer von Befürwortern und Gegnern leidenschaftlich geführten Debatte stimmten über 90 Prozent der Synodalen für die von der Bezirkssynode der Kapregion eingebrachte Vorlage. Damit soll das Bekenntnis von Belhar künftig auch zu den Bekenntnisgrundlagen der NGK gehören.
Bevor es dazu kommt, müssen noch die Bezirkssynoden und Kirchengemeinden jeweils mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Dies sieht die NGK-Kirchenordnung in Artikel 44 vor. Es bestehen jedoch wenig Zweifel, dass es nach dem überzeugenden Votum der Generalsynode auch ein überwiegend positives Votum an der Basis geben wird.
Der Debatte um die Übernahme des Belhar-Bekenntnisses war die Wahl eines neuen Moderamens vorausgegangen. Nelis Niemand wurde zum neuen Moderator gewählt. Anders als sein Vorgänger im Amt, Piet Strauß, gehörte er zu den Befürwortern der Übernahme des Bekenntnisses von Belhar. Als Leiter der Diskussion war er jedoch sehr darauf bedacht, dass alle Meinungen auf der Synodaltagung Ausdruck fanden. „Seine liebevolle Art, mit der er jede Meinungsäußerung würdigte, hatte großen Anteil am Gelingen der mit hohen Emotionen geführten Debatte“, sagt Dawid Kuyler, Moderamensmitglied der URCSA.
Für die Fortführung der Vereinigungsgespräche ist die Haltung der NGK zum Bekenntnisses von Belhar von entscheidender Bedeutung. Zu Zeiten der Apartheid war das Bekenntnis in der URCSA nach dem Vorbild der Barmer Theologischen Erklärung erarbeitet worden. Seine zentralen Anliegen sind Einheit, Versöhnung und Gerechtigkeit. Doch in der NGK gab es Widerstände. Gegner sprachen von einer „politisch motivierten Erklärung“ und von „schwarzer (Befreiungs-) Theologie“. Viele hatten den Eindruck, das Bekenntnis sei „gegen sie“ verfasst worden. In diesem Licht ist auch die Reaktion des ehemaligen Moderators Piet Strauß zu sehen: „Niemals werden ich oder mein Sohn das Bekenntnis von Belhar anerkennen.“ Die harsche Zurückweisung führte dazu, dass die URCSA-Synode vor zwei Jahren ein Moratorium beschloss. Seither ruhen die Vereinigungsgespräche.
Im Vorfeld der NGK-Synode hatte man Strauß aus den eigenen Reihen bedrängt, nicht mehr für eine zweite Wahlperiode zu kandidieren. Seine Position fand kaum noch Rückhalt unter den Synodalen. Ein 31-jähriger Pfarrer brachte es auf der Synode auf den Punkt. „Die erste Hälfte meines Lebens habe ich im alten Südafrika verbracht, die zweite Hälfte im neuen. Ich trage das alte Südafrika immer noch in mir. Deshalb brauche ich Belhar. Ich muss täglich daran erinnert werden, woran ich mich als Christ im neuen Südafrika zu halten habe.“ Die Schlussplädoyers der Synodalen Braam Hanekom und Nils van Rensburg, beide aus der Kapsynode, brachten schließlich die Wende: Belhar erfülle alle Kriterien eines Bekenntnisses. es spreche in einer Weise über Einheit, Versöhnung und Gerechtigkeit, die sowohl biblisch als auch reformiert sei. Hinzu komme: Belhar befasse sich mit dem südafrikanischen Kontext. Auch der Präsident des Reformierten Weltbundes, Jerry Pillay, und der ehemalige Präsident des Reformed Ecumenical Council (REC), Peter Borgdorff, beide Gäste der Synode, hatten eindringlich für die Annahme des Bekenntnisses geworben: „Die Welt blickt heute auf diese Synode. Ihr müsst zu Belhar eine klare Position finden.“
Als das Ergebnis der Abstimmung bekannt wurde, brachen viele Synodale in Freudentränen aus. Sie umarmten ihre Geschwister aus der URCSA, die nicht fassen konnten, was sie erlebten. „Wir waren sprachlos und sind überglücklich“, sagt Thias Kgatla, Moderator der URCSA.
Die Beschlussfassung der NGK-Synode dürfte Bewegung in die Vereinigungsgespräche bringen. Zwar kann die URCSA-Synode erst Mitte nächsten Jahres über eine Aufhebung des Moratoriums entscheiden. Doch bereits für den 29. November sind Gespräche zwischen der neuen Kirchenleitung der NGK und dem Moderamen der URCSA vorgesehen, an denen Jerry Pillay auch teilnehmen wird. Dann werden die beiden noch offenen Fragen ins Blickfeld geraten. Wie können die Einheit der Kirche und die Aufarbeitung der Vergangenheit erreicht werden? „Es gibt noch viel zu beraten. Aber wir sind der Vereinigung einen großen Schritt näher gekommen“, gibt sich Jerry Pillay optimistisch. Er ist Leiter einer Delegation der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, die den Vereinigungsprozess unterstützt.