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Waren wir nicht mal eine friedensbewegte Kirche?
Gedanken zu einem Fernsehgottesdienst
Bilder und Worte – das ist ein schwieriges Kapitel im Protestantismus! Da vertraut man der Kraft des Wortes und vergisst darüber, dass visuelle Eindrücke allemal mächtiger sind. Das wurde dem ZDF-Fernsehgottesdienst von der Luftwaffenbasis Köln-Wahn, vom 15.5.2011 zum Verhängnis.
Beim späteren Nachlesen zeigt sich, dass der EKD-Ratsvorsitzende Schneider eine nachdenkliche Predigt gehalten hat. Aber nicht der Inhalt der Predigt bleibt im Gedächtnis, sondern Bilder, die nicht nur mir kalte Schauer über den Rücken jagen.
Da hebt der Kirchenmann im Talar segnend die Hände – überragt von einem Airbus der Luftwaffe! Ein Schelm, wem da die Waffensegnungen des Ersten Weltkrieges in den Sinn kommen? Natürlich weiß ich, dass Schneider das weder will noch gemeint hat, aber das Bild setzt sich in den Köpfen von Hunderttausenden von Zuschauern fest!
Da berichtet ein Soldat im Kampfanzug während des Gottesdienstes, wie er in Afghanistan sehnsüchtig das Osterpäckchen von seinen Kindern öffnet – und dann in Tränen ausbricht, weil alles darin „zerstört“ ist. Unterlegt ist das von einem Foto, das genau diesen Soldaten auf den Trümmern eines zerbombten Hauses in Afghanistan zeigt. Seelsorgerlich ist die EKD bei diesem Mann – aber merkt denn keiner, dass die Wahl dieses Bildes eine Verhöhnung des Leidens der afghanischen Zivilisten darstellt?
Fatale Bilder!
Der Senderbeauftragte für die ZDF-Gottesdienste, Pfarrer Stephan Fritz, wehrt sich gegen den Vorwurf, in diesem Gottesdienst sei ein deutsch-nationaler Glaube gepredigt worden, und verweist darauf, man habe sich seelsorgerlich auf die Situation der Soldatinnen und Soldaten und ihrer Familien konzentrieren wollen. Ein Blick ins mitgeschickte Textbuch zeigt, dass die Texte in der Tat etwas differenzierter sind, als sie angesichts der Bilder im Gedächtnis bleiben.
Aber es bleibt das ungute Gefühl. Seelsorge und Fernsehöffentlichkeit passen nicht zusammen. Die Konzentration auf individuelle deutsche Soldatenschicksale in einem Gottesdienst, den Hunderttausende sehen, ist eben doch auch ein implizites politisches Statement! Zumindest sagt die EKD damit: Egal, wie man den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr politisch bewertet, Gott steht diesen Soldaten bei (und wir als Kirche stehen bei ihnen).
Da heißt es im Schuldbekenntnis: „Gott, Unsicherheit und die Gefahr, den nächsten Tag nicht zu erleben, sind in Afghanistan ständige Begleiter. Im Ernstfall müssen Soldaten töten. Da gibt es Schuld, die bedrückt. Bilder der Gewalt, die immer wiederkehren…“ Und dann folgt der Gnadenzuspruch: „Bei allem, was sich nicht lösen lässt, mitten in der unerlösten Welt gilt Gottes feste Zusage: ‚Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen…“
Als seelsorgerlicher Einzelzuspruch ist das verantwortbar. Aber als öffentliches Statement in einem Fernsehgottesdienst wird daraus billige Gnade: Soldaten töten – warum, wozu ist kein Thema – aber Gott vergibt, denn wir leben ja noch in der gefallenen Schöpfung. Ethik scheint da nicht mehr nötig zu sein!
Waren wir nicht mal eine friedensbewegte Kirche?
Dann wäre es doch das mindeste gewesen, in einem solchen Gottesdienst die Afghanen mit in den Blick zu nehmen. Man ist auch noch seelsorgerlich bei den Soldatinnen und Soldaten, wenn man daran erinnert, dass es neben ihrem Leid und ihrer Angst auch noch das viel größere Leiden der afghanischen Zivilbevölkerung gibt. Und es nimmt den Soldaten nichts weg, wenn man konkret für Frieden in Afghanistan betet, für zivile Aufbauhelfer, für Politiker, die der Korruption widerstehen, für Dorfvorsteher, die gegen Widerstände Mädchen in die Schule schicken!
So bleibt am Ende der Eindruck: Hier wurde ein freundlich-zugewandter Separatgott für die Bundeswehr gepredigt.
Fotos vom ZDF-Gottesdienst am 15. Mai 2011, online als Video nachzusehen hier >>>
Claudia Währisch-Oblau, Leiterin der Abteilung Evangelisation bei der Vereinten Evangelischen Mission (VEM), Mai 2011