'Sein theologisches Werk ist ein Jahrhundertereignis'

ErK: Eröffnung der Karl-Barth-Vorlesungsreihe in Göttingen


Prof. Eberhard Busch bei seiner Vorlesung am 25. April © Gottfried Wehr

Die Honorarprofessur für Karl Barth 1921 an der Universität Göttingen sei ein „Husarenstück“ der Universitätsgeschichte gewesen, sagte Martin Laube, inzwischen vierter Inhaber des Lehrstuhls für reformierte Theologie in Göttingen. Er eröffnete am 26. April in der vollbesetzen reformierten Kirche in Göttingen zusammen mit seinem Vorgänger, Eberhard Busch, eine Vorlesungsreihe zur Theologie des Schweizers.

Barth war von 1921 bis 1925 Inhaber des Lehrstuhls für reformierte Theologie, der für ihn in Göttingen eingerichtet wurde. Laube zufolge war die Professur für Barth eine konfessionelle Provokation. „Sie rammte der bis dahin streng lutherischen Landesfakultät einen reformierten ‘Stachel ins Fleisch’.“

In der Vorlesungsreihe anlässlich des Karl-Barth-Jahrs 2019 beleuchten bis Mitte Juli sieben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Theologie und das Leben des Schweizer Theologen. Noch insgesamt elf Vorträge stehen unter der Überschrift "Karl Barth: Reformiertes Erbe in gegenwärtiger Verantwortung". Mit dem Karl-Barth-Jahr erinnern die evangelischen Kirchen an seinen 50. Todestag am 10. Dezember 1968 sowie die erste Veröffentlichung seines Römerkommentars vor 100 Jahren.

Der 81-jährige Eberhard Busch, er hatte den Lehrstuhl von 1986 bis 2002 inne, erinnerte in der ersten Vorlesung der Reihe an die starke Wirkung, die Barth in Göttingen bereits in seinen Anfangsjahren entfaltet habe. So habe der Schriftsteller Manfred Hausmann von einer Erschütterung gesprochen, die Barths Vorstellungspredigt bei ihm hinterlassen habe. „Das Gepacktsein steigerte sich zu einem Aufgewühltsein, zu einer Erschütterung, die bis in die letzten Tiefen meines Wesens drang. Der Blitz war niedergefahren, mitten in mich hinein.“ Etwas distanzierter habe der Gutachter der Reformierten Kirche, damals mit Sitz in Aurich, die ungewöhnliche Vorstellung kommentiert. Dieser habe geschrieben: Immerhin habe die Predigt „aus gelegentlichen Bemerkungen den offenbarungsgläubigen Standpunkt des Verfassers" erkennen lassen.

Busch berichtete von so mancher Irritation, die Barth, der von der Dorfkanzel im schweizerischen Safenwil als Professor nach Göttingen berufen wurde, bewirkte. „Als man im Vorfeld seiner Berufung ein Foto von ihm haben wollte, schickte er eines, auf dem er den Betrachtern seinen Rücken zeigt.“

Laube umriss in seiner Einführung den unbestrittenen Stellenwert der immer auch umstrittenen Theologie Karl Barths: „Sein theologisches Werk stellt ein Jahrhundertereignis dar. Mit seiner frühen dialektischen Theologie hat er das ‘lösende Wort’ für eine tief verunsicherte Zeit gefunden“. Barth habe eine neue Epoche der evangelischen Theologie begründet. Laube hob die Bedeutung der Theologie Barths für die Bekennende Kirche hervor. „In der finsteren Zeit des Nationalsozialismus hat er theologische Orientierung vermittelt und zugleich selbst Weitsicht und Rückgrat bewiesen.“

Busch wiederum illustrierte die Anfänge der akademischen Lehrtätigkeit Barths in den politisch und kulturell bewegten frühen Zwanziger Jahren. Barth habe sich in ein kritisches Gespräch begeben, nicht allein mit den großen Theologen der reformierten Tradition, sondern auch mit den klassischen Entwürfen aus der Zeit der Alten Kirche. Sein theologisches Denken habe bereits in seiner ersten Dogmatik-Vorlesung ökumenische Weite gezeigt. „Es ist gerade in dieser Sache heilsamerweise möglich, universalkirchlich zu denken: als Abendländler von der Ostkirche, als Reformierter vom Luthertum sich das Heft korrigieren zu lassen“, zitierte Busch aus Barths Vorlesung.

Kirchenpräsident Martin Heimbucher meinte in Anschluss an die Vorlesung, dass die Evangelisch-reformierte Kirche mit dem anschließenden Empfang ein kleines Zeichen der Wiedergutmachung leiste. Schließlich habe die Kirche seinerzeit ihre anfängliche finanzielle Unterstützung für die Göttinger Professur später wieder gestoppt.