Im Namen des Reformierten Bundes schreibt Moderator Peter Bukowski der Islamischen Gemeinde Wuppertal und anderen Islam-Verbänden.
Mit Blick auf die Mordserie der NSU, das „unsägliche Leid“ der Opfer, die „Vorverurteilungen“, das „Verleugnen und Wegsehen“ seitens der ermittelnden Behörden folgert Bukowski: „Dies zeigt, dass wir in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aufmerksam dafür sein müssen, wo Ausgrenzung und Diskriminierung geschieht. Für unser Zusammenleben ist es entscheidend, eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung zu stärken.“ Dafür wolle sich der Reformierte Bund auch in Zukunft einsetzen.
Der Brief an die Islamische Gemeinde Wuppertal im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Al-Ouaamari,
im Namen des Reformierten Bundes in Deutschland, dem Zusammenschluss reformierter Gemeinden und Kirchen in Deutschland, möchten wir Ihnen und den Mitgliedern Ihrer Gemeinden unsere besten Wünsche für den Ramadan aussprechen.
Wir wünschen Ihnen Gottes Segen für die Zeit des Fastens. Diese Zeit ist geprägt von der Konzentration und Besinnung auf Gottes Wort. Gleichzeitig ist es eine Zeit, in der die Gemeinschaft beim Fastenbrechen besonders gefeiert wird: in den Moscheen, in der Familie, im Freundeskreis und in der Nachbarschaft. Hier wird erfahrbar, dass die Versenkung in den Glauben, in das Studium des Koran und in das Gebet eng verbunden sind mit der Sorge um den Nächsten und dem Teilen von dem, was wir alle zum Leben brauchen: Essen und Trinken ebenso wie die Gemeinschaft mit anderen Menschen. Diese Stärkung des Glaubens und die damit
verbundenen Erfahrungen wirken sich auf das Leben aus. Glauben und Leben sind untrennbar miteinander verbunden, aus einer starken Beziehung zu Gott erwächst eine starke Beziehung zu unseren Mitmenschen.
Wie sehr dieser Glaube helfen kann, Schweres zu ertragen und sogar die Kraft zur Vergebung zu finden, zeigt auf eindrucksvolle Weise Mevlüde Genc, Mutter und Großmutter der Opfer des Brandanschlages in Solingen vor 20 Jahren. Ihr Glaube habe sie gelehrt, das friedliche Zusammenleben der Menschen als das höchste Gut auf Erden anzusehen, sagte sie auf die Frage, woher sie und ihre Familie die Kraft zur Versöhnung finden. Ihre Haltung hat mit dazu beigetragen, dass viele Menschen in Solingen und an anderen Orten nicht im Erschrecken über den fürchterlichen Anschlag verharrten, sondern seitdem auf vielfältige Weise aktiv wurden, sich gegen Rassismus, Ausgrenzung und Vorurteile und für ein friedliches Miteinander zu engagieren. So ist das Gedenken in diesem Jahr zu einem eindrucksvollen Zeugnis davon geworden, „dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will“ (Dietrich Bonhoeffer).
Vor dem Hintergrund der abscheulichen Anschläge in den 90er Jahren ist es umso erschreckender, was nun im Zusammenhang mit der Mordserie der NSU an die Öffentlichkeit kommt. Es ist unfassbar, dass eine Bande von Rechtsradikalen mit ihrem Morden über einen Zeitraum von 10 Jahren immer weiter machen konnte, ohne dass dies von Seiten unserer Behörden verhindert wurde. Unsägliches Leid ist über die Familien der Opfer gebracht worden. Sie mussten nicht nur den Verlust eines Familienangehörigen beklagen, sondern sahen sich auch noch Verdächtigungen und Misstrauen ausgesetzt. Das grundlegende Vertrauen in Justiz und Polizei wird tief erschüttert, wenn im Rahmen der Untersuchungen zunehmend deutlich wird, wie durch Vorverurteilungen, Verleugnen und Wegsehen diese Verbrechen immer weiter gehen konnten. Dies zeigt, dass wir in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aufmerksam dafür sein müssen, wo Ausgrenzung und Diskriminierung geschieht. Für unser Zusammenleben ist es entscheidend, eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung zu stärken.
Wir möchten Ihnen versichern, dass wir uns hierfür auch in Zukunft einsetzen werden.
In diesem Sinne grüßen wir Sie herzlich – Ramadan Mubarak
Ihr
Dr. Peter Bukowski
Moderator des Reformierten Bundes