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Wie kommt Gott zu seinem Recht?
Rechtfertigung, Heiligung und Berufung bei Karl Barth – Nachklang zu einem Vortrag von Prof. Dr. Michael Beintker, Münster
Nicht nur im Rahmen der reformatorischen Rechtfertigungslehre bewegen
Wir bedürften „einer größeren Freiheit […] als die, die uns erlaubt wäre, wenn wir uns […] nur im Rahmen der reformatorischen Rechtfertigungslehre bewegen dürften“, war bereits Barth überzeugt (KD IV,1,588). Klassisch lutherisch-reformatorisch ist die Rechtfertigung allein aus Glauben Antwort auf die Frage: Wie kriege ich einen gnädigen Gott? Wer nun behaupte, das sei nicht mehr die Frage des modernen Menschen, denn der frage viel radikaler, ob es Gott überhaupt gäbe, muss sich von Barth sagen lassen, dies sei ein Scheinproblem. Denn: Die Frage nach der Existenz Gottes lässe sich nicht von der Weise seiner Zuwendung zum Menschen trennen, so Beintker. „Wer nach Gott fragt, muss wissen, dass er es sogleich mit seiner ganzen Wirklichkeit zu tun bekommt“.
Das Problem Gottes mit dem Menschen
Es geht in der Rechtfertigungslehre nach Barth also weniger um das Problem des Menschen mit Gott als vielmehr um das Problem Gottes mit dem Menschen. Die Frage ist: Wie kommt Gott zu seinem Recht? Und daran anschließend: Wie kommt der Mensch als permanenter Täter des Unrechts zu seinem Recht? Barth antwortet: „Das dem menschlichen Unrecht zum Trotz im Tode Jesu Christi aufgerichtete und in seiner Auferstehung proklamierte Recht Gottes ist als solches der Grund eines neuen, ihm entsprechenden Rechtes auch des Menschen.“ (KD IV/1,573)
Verzeihung schafft einen neuen Rechtszustand
Barths Rechtfertigungslehre ist forensisch ausgerichtet, betonte Beintker: Gottes rechtfertigendes Urteil über den Menschen geschieht im Gericht. Vergebung der Sünden werde dort zu der „in unseren Lebenslagen Gestalt gewinnenden Form der Rechtfertigung“. Barth selbst habe von „Verzeihung“ gesprochen. Diese geschehe nicht bloß verbal, sondern schaffe einen neuen Rechtszustand, so Beintker. Ein „schöpferisches Werk Gottes“ nannte Barth die Verzeihung, „in dessen Kraft der Mensch als derselbe alte Mensch, der er war und noch ist, nicht mehr derselbe, sondern schon ein anderer ist: der, der er sein wird, der neue Mensch (KD IV/1,667).
Heiligung ist Ziel der Rechtfertigung
Das Ziel der Rechtfertigung ist die Heiligung. Zu dieser Erkenntnis half Johannes Calvin Barth, während Luther stets betonte, die Rechtfertigung sei Voraussetzung der Heiligung, bzw. die Heiligung eine Folge der Rechtfertigung.
Für Barth solle der Mensch als „Gottes getreuer Bundespartner“ sichtbar werden, erläuterte Beintker, aber eine Mitwirkung des Menschen beim Rechtfertigungsgeschehen bleibe auszuschließen.
Entsprechung statt Kooperation
Was ist dann des Menschen Part? Den Gedanken einer „Kooperation“ zwischen Gott und Mensch habe Barth vermieden, so Beintker. Er brachte „die Beteiligung des Menschen an dem, was Gott tut“ mit der Kategorie der „Entsprechung“ zum Ausdruck und verglich den Dienst des Christen als Zeugen der Heilsgeschichte mit dem Dienst eines Ministranten im Gottesdienst.
Über sich selbst hinausweisen
Bei Barth gipfelte die Heiligung und ethische Bewährung des gerechtfertigten Menschen in der Berufung zum Zeugendienst. Als Zeuge Jesu Christi zu agieren, löst „von der Fixierung“ auf das eigene Christsein. Beintker: „Der Christ, der sich selbst recht versteht, wird immer über sich hinausweisen“. Dabei der „Freudenbewegung des Evangeliums“ zu entsprechen und kein „finsteres, saures, trauriges Evangelium“ zu bezeugen, forderte Barth.
An diese Mahnung erinnerte Beintker mit spürbarem Vergnügen und bat seinerseits um „wache Aufmerksamkeit“, was Barths Interpretation der Rechtfertigung für die aktuelle Diskussion zu sagen habe.
Der Vortrag von Michael Beintker: „Rechtfertigung – Heiligung – Berufung“ wird gedruckt erscheinen im Sammelband zum Symposion „Karl Barth als Lehrer der Versöhnung (1950-1968): Vertiefung - Öffnung – Hoffnung“ beim Theologischen Verlag Zürich (TVZ).
Barbara Schenck, Mai 2014
Eindrückliches vom dritten Internationalen Karl Barth Symposion in Emden. Von Barbara Schenck