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Europa nicht auf dem Schirm
Mittwochskolumne von Paul Oppenheim
Hinterher geht es um nationale, regionale und lokale Wahlergebnisse. In Frankreich löst Emmanuel Macron das Parlament auf. In Deutschland werden Neuwahlen gefordert. Wen interessiert eigentlich Europa?
Die EU steht für Vereinheitlichung in möglichst vielen Lebensbereichen, aber ausgerechnet bei der Europawahl toben sich die Mitgliedsstaaten aus, als sei sie nur eine Spielwiese. In Deutschland wird das Wahlalter auf 16 gesenkt und die 5-Prozenthürde aufgehoben. In Frankreich, wo man erst ab 18 wählen darf, wird die 5-Prozenthürde ausnahmsweise eingeführt. In einem Land wählt man an einem Tag, anderswo vier Tage lang. Es ist ja „nur“ Europawahl.
Über 7.000 EU-Verordnungen regeln nahezu jeden Bereich unseres Alltags von der Lebensmittelqualität über den Datenschutz bis zur Motorlärmgrenze und dem Textilkennzeichnungsetikett. Es wird geregelt, welche Ansprüche ich als Fluggast bei der Verspätung meines Fluges habe und wie ein Erbfall geregelt wird, wenn es Vermögen im Ausland gibt. Darüber hinaus gibt es zahllose Richtlinien, die in nationales Recht umzusetzen sind.
Kann es sein, dass unsere nationalen Politiker gar nicht wollen, dass wir merken, wie viel in Brüssel entschieden wird und wie wenig sie noch zu bestimmen haben? Vielleicht fühlen sie sich auch überfordert von der Komplexität europäischer Regelungen? Vielleicht ist ihnen das Gebilde aus 27 Staaten unheimlich und eine Nummer zu groß?Mit der rühmlichen Ausnahme des Fernsehsenders ARTE betreten auch unsere Medien ungern europäisches Terrain.
Das Nationale ist übersichtlicher, die Parteienlandschaft ist vertraut und die Akteure sind bekannt. Wer will schon wissen, wen Spanier, Bulgaren, Polen oder Slowaken nach Brüssel entsenden, um über unseren Alltag zu entscheiden? Wer begreift die politischen Bündnisse im Europaparlament und wer hat auf dem Schirm, was da wirklich entschieden wird?
Paul Oppenheim